Warum dieser Kongress zählt
Am 6. und 7. Mai 2025 trafen sich gut 200 Vertreter-innen aus über 70 deutschen Kommunen im Munich Urban Colab, um darüber zu diskutieren, wie sich die Ergebnisse des Bundes-Förderprogramms „Modellprojekte Smart Cities“ verstetigen lassen. Das Treffen fand bewusst im 11.000 m² großen Innovations-Hub statt, in dem Stadtverwaltung, Start-ups und Forschung täglich zusammenarbeiten - der perfekte Resonanzraum für erprobte wie auch radikale Ideen.
Drei Kernbotschaften aus München
2.1 Blick über die Förderlogik hinaus
„Wenn es gelingt, zwei Drittel der entwickelten Lösungen weiter zu betreiben, wäre das ein Riesenerfolg für ein experimentell angelegtes Förderprogramm.“ - Renate Mitterhuber, BMWSB
Die Projektverantwortlichen im Bund stellen klar: Ab 2026 endet für viele Modellkommunen die eigentliche Finanzierungsphase. Entscheidend ist also, schon heute Betriebs-, Lizenz- und Updatekosten mitzudenken - und früh Kooperationspartner aus der Region an Bord zu holen.
2.2 Open Source = Digitale Souveränität
Michael Huch (KTS) sprach offen über die „Herausforderung Open Source“: Die Verpflichtung, Ergebnisse quelloffen bereitzustellen, sorge zunächst für Extra-Aufwand, sei aber „ein wichtiger Schlüssel, damit Kommunen ihre digitale Zukunft selbst gestalten können.“ Öffentlicher Code senkt Einstiegshürden für Nachahmer-Städte und erleichtert Ausschreibungen.
2.3 Digitalisierung als Pflichtaufgabe
In einer pointierten Panel-Diskussion brachte Susanne Klöpping (StMD) den Stimmungsumschwung auf den Punkt:
„Smart City ist digitale Notwehr. Digitalisierung ist Voraussetzung, damit Kommunen überhaupt noch handlungsfähig bleiben.“
Die Botschaft traf: Wer heute nicht digitalisiert, gefährdet morgen Daseinsvorsorge und Standortattraktivität.
Best Practice: Der Digitale Zwilling Münchens
Ein Highlight war die Live-Demo des Digital Twin Munich. Die Stadt nutzt ein zentrales 3D-Modell samt Urban Data Platform, um Klima-Simulationen, Verkehrsflüsse und Bauvorhaben virtuell durchzuspielen. Die offene Architektur erlaubt die Anbindung externer Echtzeit-Daten - von Feinstaub-Sensoren bis Radverkehrszählungen.
Warum das relevant ist:
- Schnelle „Was-wäre-wenn“-Szenarien machen politische Folgen transparent.
- Bürger-Feedback lässt sich direkt in Modellläufen berücksichtigen.
- Kommunen ohne Millionen-Budget können modular andocken - Open Source sei Dank.
Fehler feiern - die „Fuck-up-Night“
Eine abendliche „Fuck-up-Night“ bot Raum für gescheiterte Projekte: Undichte Grundwassersensoren, datenschutzrechtliche Sackgassen oder Displays, die auf dem falschen Platz landeten. Die Offenheit erzeugte Lernkurven, die man so in klassischen Fachkonferenzen selten erlebt - ein Format, das jede Kommune kopieren sollte, bevor sie nächste Millionen investiert.
Lessons Learned für Kommunen aus den Handlungsfeldern und Quick-Tipp
Betrieb & Skalierung
Schon in der Pilotphase Service-Level, Wartungsaufwand und Kosten für Cloud-Hosting beziffern.
Digitale Zwillinge
Mit einem klaren Use-Case (z. B. Schulwegsicherheit) starten statt das „volle 3D-Abbild“ anzustreben.
Open Source
Git-Repository vor Projektstart anlegen; Lizenz (EUPL/ MIT) gemeinsam mit Rechtsamt definieren.
Governance
Interdisziplinäres Kernteam etablieren, das Fachbereiche, IT und Kommunikationsstelle vereint.
Fehlerkultur
Quartalsweise interne „Pre-Mortems“ und offene Review-Sessions durchführen - Erkenntnisse veröffentlichen.
Mein Fazit
Der 6. MPSC-Kongress hat gezeigt: Deutschlands Smart-City-Bewegung ist aus der Experimentier-Ecke herausgewachsen. Statt Leuchtturm-PR dominieren Transfer, Standards und Nachhaltigkeit. Der Satz „Digitale Notwehr“ mag drastisch klingen, trifft aber häufig die Realität in Verwaltung, Ministerien und Amtsstuben.
Für mich heißt das:
- Finanzierungs- und Betriebsmodelle rücken in den Mittelpunkt jeder Strategie.
- Open-Source-Pfadabhängigkeiten müssen früh mit Einkauf und IT-Sicherheit abgestimmt werden.
- Kommunen sollten Fehler als Vermögenswert behandeln - geteilte Misserfolge sparen anderswo teures Lehrgeld.